Die Geschichte des Instituts für Bienenkunde

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Die ersten Jahre

Das Institut für Bienenkunde Oberursel der Polytechnischen Gesellschaft wurde 1937 gegründet. Eine Bienenseuche hatte große Völkerbestände vernichtet und in Deutschland wurde mit Hochdruck an Ursachen und Therapien geforscht. Vor diesem Hintergrund wurde am damals gerade neu entstandenen Siedlungslehrhof das Institut in Oberursel als das erste seiner Art in Hessen errichtet. Im Keller wurde ein Schleuderraum eingerichtet, Laboratorien fanden im Erdgeschoß Raum und im Dachgeschoß wohnte der Imkermeister. Der Bau wurde 1938 fertiggestellt, sein erster Leiter wurde Hugo Gontarski. Von Anfang an hatte das Institut zwei Hauptaufgaben: Grundlagenforschung und Unterstützung der praktischen Bienenhaltung. Allerdings unterbrach der Zweite Weltkrieg die Aufbauphase des Institutes und nach Kriegsende wurde der Siedlungslehrhof Teil der US amerikanischen Kaserne „Camp King“. Die Polytechnische Gesellschaft erwarb 1956 ein Einfamilienhaus mit Grundstück in der Hohemark, das als neues Forschungsgebäude umgebaut wurde.

Dem unermüdlichen Engagements und dem Idealismus Hugo Gontarskis ist es zu verdanken, dass das Institut auch in diesen schwierigen Jahren des Neuanfangs erfolgreich Forschung betreiben konnte. Gontarski untersuchte besonders die Nosemose, eine Darmkrankheit der Bienen, und versuchte, dagegen Therapieformen zu entwickeln. Er erforschte die Honigchemie, die Ernährungsphysiologie und die Anatomie von Bienen. Besonders engagierte sich Gontarski aber auch in der Lehre über Bienenhaltung und Bienenbiologie. Der während seiner Zeit mit der Universität Gießen geschlossene Kooperationsvertrag endete mit dem Tod Gontarskis im Jahre 1963.

Zusammenarbeit mit der Universität Frankfurt

Eine neue, sehr erfolgreiche Phase in der Institutsentwicklung wurde 1963 durch Martin Lindauer, damals Direktor des Zoologischen Instituts der Universität Frankfurt, eingeleitet.
Auf seine Initiative hin wurde das Institut der Polytechnischen Gesellschaft vertraglich eng an die Universität Frankfurt gebunden. Lindauer holte 1964 Friedrich Ruttner, den hoch angesehenen Leiter des Bieneninstituts in Lunz, Österreich, als Institutsleiter nach Oberursel. Ruttner wurde gleichzeitig Professor für Zoologie am Fachbereich Biologie der Goethe Universität. Der Vertrag zwischen Universität und Polytechnischer Gesellschaft sicherte die Finanzierung des Institutes, aber es wurden auch dringend moderne Labore und Büros benötigt. Mittel der Stiftung Volkswagenwerk und Grundstückszukäufe ermöglichten die Errichtung eines modernen, zweigeschossigen Anbaues mit über 300 m² Nutzfläche an das alte Institutsgebäude. Friedrich Ruttner gilt als der Begründer der modernen Bienengeographie. Seine „Taxonomie and Biogeography“ hat ein neues Kapitel der wissenschaftlichen Klassifizierung der Honigbienen aufgeschlagen und ist auch heute noch ein Standardwerk der Bienenbiologie. Schon bald existierte in Oberursel die weltweit bedeutendste wissenschaftliche Sammlung von Bienenarten und Unterarten, die heute mehr als 3000 wertvolle Präparate umfasst. Ruttner pflegte intensive Forschungskontakte mit Wissenschaftlern aus aller Welt, er gründete mit seinem französischen Kollegen Jean Louveaux 1970 die Fachzeitschrift Apidologie, heute die bedeutendste bienenwissenschaftliche Zeitschrift. Unter seiner Leitung wurde das Oberurseler Institut zu einem der weltweit führenden Bieneninstitute in Paarungsverhalten, Genetik, Taxonomie und Bio- bzw. Phylogeographie der Honigbienen. Vor allem Ergebnisse über das Paarungsverhalten von Königinnen und Drohnen und die Einführung der künstlichen Besamung hatten einen nachhaltigen Einfluss auf die Bienenzucht in ganz Deutschland. Ruttner war stets die praktische Verwertbarkeit seiner Erkenntnisse sehr wichtig: Sein Buch „Die Zuchttechnik und Zuchtauslese bei der Biene“ stellte die praktische Bienenzucht auf solide wissenschaftliche Beine. Als 1976 die Varroamilbe in Deutschland erstmalig entdeckt wurde, entwickelten Forscher aus Oberursel die ersten Bekämpfungsmethoden gegen den Parasiten.

Nikolaus Koeniger leitete von 1981 bis 2007 das Institut. Koeniger, der bei Ruttner promovierte, arbeitete zunächst über Alarm – und Brutpheromone. Nach seiner Rückkehr aus Kanada, wo er als Professor am Department of Environment der University Guelph Bienenbiologie und „Apiculture“ vertreten hatte, forderte zunächst der Kampf gegen die Varroamilbe und die Eindämmung der großen Bienenverluste Priorität. Nach der erfolgreichen Entwicklung der Konstant-Release Applikationen in Oberursel gemeinsam mit polnischen Kollegen entspannte sich die Varroasituation. Vergleichende Studien über parasitische Milbenarten in Asien führten zur Entdeckung einer neuen Milbenart der Riesenho-nigbiene (Tropilaelaps koenigerum), die in Asien offensichtlich auch unsere Honigbienenart befallen kann. Zusammen mit asiatischen Kollegen entdeckte und beschrieb Koeniger eine neue Honigbienenart (Apis nuluensis, Tingek, Koeniger and Koeniger 1996) und erbrachte Nachweise für weitere bereits beschriebene Honigbienen als eigene Arten. Gemeinsam mit seiner Frau analysierte er die reproduktive Isolation bei sympathrischen Bienenarten.

Neuausrichtung

Das Jahr 2007 markiert einen weiteren Wendepunkt in der Geschichte des Instituts. Mit den neuen finanziellen Möglichkeiten der Polytechnischen Gesellschaft wird ein neuer Kooperationsvertrag
mit der Goethe-Universität geschlossen und die wissenschaftliche Ausrichtung neu definiert: am Institut soll nun Gehirnforschung an Bienen betrieben werden. Im Jahr 2008 wurde Bernd Grünewald als Leiter des Instituts für Bienenkunde berufen und gleichzeitig erster Stiftungsprofessor der Polytechnischen Gesellschaft an der Goethe-Universität. Seitdem wird in Oberursel die Funktionsweise des Bienengehirns, das Lernverhalten der Biene und die Auswirkungen von Bienenkrankheiten und Pflanzenschutzmitteln auf die Physiologie und das Verhalten der Honigbiene untersucht. Traditionell zählen die Pflege der Bienensammlung und die Entwicklung neuer Therapien gegen die Varoose weiterhin zu den Kernaufgaben des Institutes in Oberursel.

Zeittafel zur Geschichte des Instituts

2012
Feier zum 75-jährigen Bestehen des Institutes

2011
Bezug neuer Laborräume im Biologicum

2008
Renovierung des Institutes, Aufnahme neurobiologischer Forschung und Lehre

2008
Prof. Dr. Bernd Grünewald Stiftungsprofessor der Polytechnischen Gesellschaft und neuer Leiter

2008
Neuer Vertrag zwischen Polytechnischer Gesellschaft und Goethe-Universität

2005
Verkauf der Sparkasse 1822 durch die Polytechnische Gesellschaft

1996
Erste Beschreibung der Bienenart Apis nuluensis durch Tingek, Koeniger und Koeniger

1981
Prof. Dr. Nikolaus Koeniger neuer Leiter des Institutes

1976
Entdeckung der ersten Varroamilbe in Deutschland durch Oberurseler Forscher

1970
Gründung der Fachzeitschrift „Apidologie“ durch Friedrich Ruttner und Jean Louveaux

1964
Berufung von Prof. Dr. Friedrich Ruttner als Leiter nach Oberursel

1963
Erster Vertrag zwischen Goethe- Universität und Polytechnischer Gesellschaft

1963
Tod von Hugo Gontarski

1956 - 1963
Enge Kooperation mit Universität Gießen

1956
Kauf und Umbau eines Einfamilienhauses durch die Polytechnische Gesellschaft

1945
Gelände um das Institut wird Teil der US-Kaserne „Camp King“

1938
Unterbrechung der Forschungen während des Zweiten Weltkriegs

1938
Fertigstellung des Gebäudes auf dem Siedlungslehrhof, 1. Leiter: Hugo Gontarski

1937
Gründung des Instituts für Bienenkunde durch die Polytechnische Gesellschaft